Die erste Geburt
Seit vielen Jahren, genauer gesagt, seit 8 Jahren schwebt mir ein Gedanke im Kopf herum: meine ganz persönlichen Erfahrungen zu meinen Geburtserlebnissen mit euch zu teilen. Jedoch brachte ich es zwar in kleinerem Rahmen über die Lippen, Einblick zu geben in meine Erfahrungswelt, jedoch war ich bis heute nicht dazu bereit, dies auch publik zu machen. Bei genauerem Hinsehen habe ich die Idee flugs wieder verworfen, da der Gedanke aufkam: nichts ist so persönlich wie seine eigenen Erfahrungen und Emotionen über das Geburtserlebnis. Und: ich möchte meine LeserInnen weder verängstigen noch irgendwelche Tipps oder Ratschläge erteilen, denn jeder Geburtsverlauf ist so unterschiedlich wie wir Menschen es sind. Ich hege eine Aversion dagegen, Menschen und in diesem Fall gebärende Frauen wegen gesetzter Schritte im Geburtsprozess zu verurteilen oder gewisse Abläufe wertend zu behandeln, weil ich finde: eine Situation ist lediglich aus sich heraus begreifen, und für jeden Außenstehenden nicht spürbar. Wir können all die Ängste, Wünsche und Begleitgründe, warum wir so und nicht anders gehandelt, nicht in dem Maße nachvollziehen wie die Protagonistin und ihre Gefühlswelt selbst.
So habe ich meinen Erfahrungsschatz gehütet und verborgen gehalten. Ich war als Mamabloggerin nicht bereit, mein Erlebtes einer breiten Masse zur Verfügung zu stellen, und ich beschloss, in erster Linie für mich ganz persönlich ein Resümee zu ziehen und die sowohl für mich als auch des Babys traumatischen Erlebnisse in den Jahren, die darauf folgten, zu verarbeiten. In den ersten Jahren nach dem negativen Geburtserlebnis hatte ich enorme Probleme, mich dem Thema Geburt in positiver Weise anzunähern, und je mehr ich mich mit dem für mich derart traumatischen Geschehnis befasste, und je mehr ich mich danach sehnte, eine plausible Antwort dafür zu finden, warum dieses und jenes auf genau diese Art und Weise geschah, desto mehr machte sich die Verzweiflung über das in der Situation empfundene Gefühl des "Ausgeliefertseins" breit. Dieses Gefühl der Fremdbestimmung veranlasste mich Jahre später dazu, doch noch einen positiven Zugang zum Thema Geburt zu finden.
Der Wunsch nach einer interventionsarmen selbstbestimmten Geburt stieg von Jahr zu Jahr an.
Die zweite Geburt
Als der Goldjunge 6 Jahre darauf das Licht der Welt erblickte, trat die positive Wende zum Thema "Geburt" ein. Ich hatte die negativen Assoziationen, die ich mit einer Geburt in einer Klinik verband, ad acta gelegt. Selbstbewusst und voller Lebensenergie suchte ich im letzten Drittel meiner Schwangerschaft eine von mir gewählte kleinere Geburtsklinik mit familiärem und kompetentem Ruf auf, und ich war der inneren Überzeugung: dieses Mal bin ich in meiner Kraft und lasse all die negativen Erfahrungen hinter mir. Meine innere positive Einstellung, eine einfühlsame Begleitung vor Ort und die physischen Gegebenheiten ermöglichten eine selbstbestimmte interventionsarme Geburt, so wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Das Geburtstraumata schien überwunden, und in den Jahren, die zwischen erster und zweiter Geburt lagen, arbeitete ich intensiv an mir selbst, machte mich mit Entspannungsmethoden wie Yoga und progressiver Muskelentspannung vertraut und gewann eine komplett neue Sichtweisen nicht nur in Hinblick auf die Geburt sondern auch auf das Leben generell. Achtsamkeit und Stressreduktion waren Themen Nummer eins, die mich überall hin begleiteten.
Die Geburt des Goldjungen hatte einen ähnlichen Verlauf wie die erste. Hoher Blasensprung nach Mitternacht, zögerliches Einsetzen der Wehen, die Fahrt ins Krankenhaus während Herr W beim Nachtdienst im Einsatz war. Mit dem einen gravierenden Unterschied: Instinktiv wusste ich, was zu tun war, überließ dem Körper das Tun und machte zielstrebig das, was mir gut tat: ich ging, ging und ging. Ich marschierte gut gelaunt und voller Tatendrang und mit einem Lächeln voller Zuversicht über Stunden hinweg durch das gesamte Geburtshaus, ja ich vertrat mir sogar in der Outdooranlage die Füße und liebäugelte mit der Idee, den kleinen Bach aufzusuchen, und beim Einsetzen der Wehen hielt ich inne und benutzte meine Atmung. Sie erwies sich als wertvollste Technik im gesamten Geburtsprozess. Alles lief hervorragend und konträr zu meinem ersten horrenden Geburtserlebnis, in dem ich rückblickend wie gemeißelt, unfrei und extrem geschwächt war. Als Julia, die junge Hebamme mich zu Dienstantritt mit einem sympathischen Lächeln begrüßte, war mir auf Anhieb klar: dieses Mal würde anderes werden. Die Hebamme, die ich zu Beginn anders einschätzte, als ich annahm (und die meine Annahme durch ihre Erzählungen bekräftigte, indem sie behauptete, sie sei ein regelrechter Jungspund an der Klinik und es läge noch nicht allzu weit zurück, dass sie von der FH ans Krankenhaus wechselte) stellte sich als wahrer Segen im Laufe der Geburt heraus. Sanft, zurückhalten und sehr kompetent und stark in den schwierigen Momenten, in denen ich nach Rückhalt, Sicherheit und Geborgenheit verlangte. Ja, ich war es tatsächlich nicht gewohnt, dass eine Hebamme, vorausgesetzt sie erkennt die Stärke und das intuitive Handeln der Gebärenden, ohne dass ein Eingreifen ihrerseits notwendig wäre, dem Geburtsprozess derart zurückhaltend gegenüberstand. In manchen Situationen schlich sich in mir sogar der wertende Geist ein, indem Gedanken wie: "sollte sie nicht mehr tun, mehr sagen, wieso ist sie mich mit dem freundlichsten Lächeln auf ihren Lippen derart zuversichtlich?! "einschlichen. Rückblickend war es genau das, was ich benötigte, um aus mir heraus in meine volle Kraft zu kommen, und die letzten intensiven Wellen, die mich trotz Veratmung ganz schön mitnahmen, zu meistern. Auch während der letzten Phase, die ich im Kreissaal verbrachte, spürte ich ganz klar das Verlangen nach Bewegung -auch wenn dies in anderem Ausmaß als in den vorausgegangenen Phasen passierte- wechselte ich verschiedenste Geburtspositionen, und ich gab dem enormen als positiv empfohlenen Drang, wie mir im Nachhinein mitgeteilt wurde, nach Bewegung nach. So zurückhaltend Julia auch war, so sehr unterstützte sie mich in dieser Endphase mit sanften, ruhigen und klaren Anweisungen, und einer wohltuenden Stress reduzierenden Rückenmassage, leitete mich an, nach eigenem Empfinden diverse Positionen zu versuchen und war immens offen für mein intuitives Tun, denn wir wussten beide: ich schaffe das.
Die letzte Wehe der Eröffnungsphase. Die Intensivität der Wellen war am Höchstpunkt angelangt. Meine Konzentration auf die Atmung ließ allmählich nach 4 Stunden intensiver Wellen nach, und ich äußerte einen dringenden Wunsch:" Ich möchte doch eine PDA. Ich kann nicht mehr." Julia beugte sich zu mir, blickte mir in die Augen und sagte:" Tina, du bist schon verstrichen! Dein Baby ist gleich da!" Einer der bewegendsten und stärksten Momente dieser Geburt, die mir ein derartiges Gefühl von Zuversicht und Hoffnung gepaart mit "du hast es geschafft" vermittelten, das ich bis dato noch nie in meinem Leben verspürte. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich im wahrsten Sinne des Wortes aufatmen. Alles, was darauf folgte, war begleitet von einem Gefühl der Leichtigkeit, auch wenn mir noch die gesamte Austreibphase bevorstand. Ich konnte es nicht fassen, als nach nur einer halben Stunde, nach einigen sehr intensiven aber weniger schmerzhaft empfundenen Presswehen mit etwas längerer Pause dazwischen, und nicht nach über 2 Stunden Presswehen unter einer Sauerstoffmaske wie bei Fräuleins Geburt, der Goldjunge zur Welt kam.
Die dritte Geburt
Als das Thema Geburt erneut in den Fokus rückte, und zwar exakt zu einem Zeitpunkt, zu dem ich mich aufgrund der Hormonumstellung in der Frühschwangerschaft unglaublich geschwächt und kraftlos fühlte, machten sich unweigerlich Gefühle von Selbstzweifel und Skepsis breit. "Würde ich es auch dieses Mal schaffen, genauso entspannt und gestärkt in die Geburt zu gehen wie beim letzten Mal?" und das Thema, was mich fest in seinem Bann hatte, war letztendlich der Geburtsschmerz, mit dem ich paradoxerweise bei der letzten Geburt unglaublich gut zurechtkam, da ich ganz bei mir war, und ich mich dank der intensiv Auseinandersetzung mit Atemtechniken aus den Entspannungstechniken und Yoga, die sogar über einen Zeitraum hinweg Teil meines Alltages wurden, ganz auf mich und meinen Körper konzentrieren konnte. In dieser Lebensphase waren die Entspannungstechniken sogar integraler Bestandteil meines Tagesablaufes. Es waren jedoch die intensiven Empfindungen, die von einer derartigen Naturgewalt begleitet wurden, die letzten Wellen vor der Pressphase, die ich unweigerlich immer wieder in Erinnerung rief, auch wenn ich sehr versöhnlich und gestärkt auf dieses intensive Erleben zurückblicken kann. Um mich diesem Thema und all diesen Emotionen erneut zu widmen, habe ich für mich eine ganz individuelle Form der Geburtsvorbereitung in Gang gesetzt, die ganz undogmatisch auf meinen Erfahrungen beruht und verschiedene Techniken, vor allem aus der Achtsamkeitsleher aufgreift, die auf monatelangen Erprobungen basieren. Sozusagen ein auf mich maßgeschneidertes Geburtsprogramm oder besser ein Sammelsurium an Ideen, auf die ich flexibel zurückgreifen kann, das nur eines zum Ziel hat: ein positives, friedliches und selbstbestimmtes Geburtserlebnis.
Wie ich mich auf die bevorstehende dritte Geburt vorbereite, mit welchen Techniken ich mich vertraut gemacht habe und warum ich nach 3 Jahren wieder Yoga praktiziere, könnt ihr in Kürze in Teil 2 nachlesen!
Wer von euch hat ähnliche oder konträre Erfahrungen gemacht? Wie habt ihr euch auf die Geburt vorbereitet? Und wie war euer Geburtserlebnis?
Ich lese regelmäßig still bei Dir mit, aber heute möchte ich Dir mal einen Kommentar dalassen.
AntwortenLöschenIch hatte auch zwei sehr verschiedene Geburten, meine Mädchen sind heute 11 und 8.
Die erste Geburt war eine Krankenhausgeburt, die ich als sehr unangenehm erlebt habe. Vor allem die Haltung "das ist eine Erstgebärende, bei der dauert das halt" war in meinem Falle äußerts kontraproduktiv, weil viel zu spät bemerkt wurde, dass meine Tochter ein Sternguckerle war und meine Wehen deshalb über Stunden so unproduktion verliefen. Als das festgestellt wurde, waren die Kräfte dann so runter, dass es eine PDA sein musste (was ich ganz furchtbar fand, weil ich so viel "verpasst" habe, obwohl ich, verglichen mit anderen Frauen, noch überraschend viel Körpergefühl hatte) und wir schließlich nur ganz knapp an einem Kaiserschnitt vorbeigeschrammt sind.
Mein zweites Kind kam im Geburtshaus (also nicht in einem Krankenhaus) zur Welt. Damit die Wehen nach einem Blasensprung in der Frühe am Abend endlich in Gang kamen, brauchte es einen Rhizinuscoctail - aber dann war es das Beste, was mir jemals passieren konnte. Es war eine Wassergeburt und ich habe eigentlich alles allein gemacht. Es ging unglaublich schnell, nur eine gute Stunde nach der Ankunft im Geburtshaus war sie schon da. Pressphase? 10 Minuten? Mehr kann das nicht gewesen sein...
Was ich Dir aber in erster Linie sagen will, ist Folgendes: es kommt nicht nur auf Dich an. Es kommt auch aufs Kind an. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Geburten meiner Töchter symptomatisch für ihr gesamtes Sein sind: die Große immer mit dem Kopf durch die Wand, erstmal sicher nicht so wie alle anderen und auf jedenfall "Drama, Baby!".
Die Kleine ein Kompromiss auf zwei Beinen, immer auf der Suche nach Konsens und im Frieden mit ihrer Umgebung - und selten bereit, mich über meine Grenzen hinaus zu belasten. Ich habe unter der Geburt sehr deutlich spüren können, wie sie mitgearbeitet hat, sich an meinen Rippen abgestoßen hat und insgesamt irgendwie schon da auf "Teamwork" gepolt war.
DIESES Kind wäre mir dafür später fast an der Brust verhungert, weil ich zu wenig Milch hatte und sie sich nicht groß beschwert hat. Das wäre der Großen nicht passiert, der ist es bis heute eigentlich nicht bewusst, dass Mütter auch Ressourcen haben und die mal runter sind...
Geh also davon aus, dass egal wie gut und liebevoll Du Dich vorbereitest, es doch letztlich die Geburt Deiner KINDES ist - nicht Deine eigene... Und DAS genau ist eigentlich das Unberechenbare an der Geschichte, glaube ich. Mal abgesehen von medizinisch-körperlichen Gegebenheiten. Wenn man schon von 2x ausgeleiert ist, flutscht sicher alles besser... ;)
Liebe Grüße und alles Gute fürs Schlüpfen des 3.,
Juliane aus Hamburg
Liebe Juliane! Herzlichen Dank für Deine persönlichen Worte, und schön, dass Du Dich zu Wort meldest, ich freue mich! Ja, da hast du absolut Recht. Es gibt einen Teil der Geschichte, der unvorhersehbar ist, und das ist auch das, wieso ich von bestimmten Richtungen in der Geburtsvorbereitungen, die zwar sehr positiv an die Sache herangehen, aber so finde ich, ausser Acht lassen, dass im Grunde keine Geburt exakt planbar und vorhersehbar ist, abgeschweift bin. Ich sehe das auch so, dass ich zwar mein "Bestes" geben kann, aber ich möchte im Gegenzug auch flexibel sein und mich auch auf unvorhersehbare Situationen einstellen können, ohne dabei komplett aufgelöst zu sein, weil ich mich ja so gut vorbereitet habe. Und ja, gut dass du es erwähnst, auch das Kind bringt sich mit ein in diesen Prozess, das sollte nicht vergessen werden! Schwierig wird es dann, wie bei mir geschehen, wenn das Ungeborene eigentlich noch nicht reif für die Geburt ist und die Geburt wird künstlich herbeigeführt, OHNE medizinische Indikation, sondern rein aus der Idee, einfach mal schneller zu machen :-( aber trotzdem bin ich rückblickend dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben, weil ich jetzt viel selbstbestimmter an das Thema rangehen kann, und es hat mir auch dazu verholfen, andere Wege zu beschreiten, und v.a. ein anderes familiäres Krankenhaus mit einem tollen Team aufzusuchen. Ich bin guter Dinge, und auch schon gespannt!
AntwortenLöschenLiebe Grüße nach Hamburg!
Tina
Liebe Tina, ja, das ist der Nachteil an einer Krankenhausgeburt, da ist keine Zeit zum Warten - aus 1000 Gründen, mal guten, mal schlechten. Deshalb hab ich mich beim 2. mal ja auch für das Geburtshaus entschieden - und das war gut so, sonst wäre auch bei mir eingeleitet worden, 12 Stunden nach Blasensprung ohne Wehen!
LöschenIch drücke Dir ganz fest die Daumen, dass Deine dritte Geburt ganz besonders gut zu Dir passen und Dich wirklich mit allem versöhnen möge, was da noch in Dir unrund ist. Ich fühle mich mit meiner zweiten Geburt so gesegnet, das wünsche ich auch jeder anderen Frau!
Ich bin gespannt, was Du dann berichtest.
Liebe Grüße,
Juliane